Auszug aus "Der kleine Prinz"
von Antoine de Saint-Exupéry
»Herr... worüber herrscht Ihr?« fragte der kleine Prinz den König. »Über alles«, antwortete der König mit großer Einfachheit. »Über alles?« Der König wies mit einer bedeutsamen Gebärde auf seinen Planeten, auf die anderen Planeten und auf die Sterne.
»Über all das?« sagte der kleine Prinz. »Über all das...«, antwortete der König.
Denn er war nicht nur ein absoluter Monarch, sondern ein universeller. »Und die Sterne gehorchen Euch?« »Gewiß«, sagte der König. »sie gehorchen aufs Wort. Ich dulde keinen
Ungehorsam.«
Solche Macht verwunderte den kleinen Prinzen sehr. Wenn er sie selbst gehabt hätte, wäre es ihm möglich gewesen, nicht dreiundvierzig, sondern
zweiundsiebzig oder sogar hundert oder selbst zweihundert Sonnenuntergängen an ein und
demselben Tage beizuwohnen, ohne daß er seinen Sessel hätte rücken müssen. Und
da er sich in der Erinnerung an seinen kleinen verlassenen Planeten ein bißchen
traurig fühlte, faßte er sich ein Herz und bat den König um eine Gnade:
»Ich möchte einen Sonnenuntergang sehen... Machen Sie mir die Freude... Befehlen Sie der Sonne unterzugehen...«
»Wenn ich einem General geböte, nach der Art der Schmetterlinge von einer Blume
zu andern zu fliegen oder eine Tragödie zu schreiben oder sich in einen
Seevogel zu verwandeln, und wenn dieser General den erhaltenen Befehl nicht
ausführte, wer wäre im Unrecht, er oder ich?« »Sie wären es«, sagte der kleine Prinz überzeugt.
»Richtig. Man muß von jedem fordern, was er leisten kann«, antwortete der
König. »Die Autorität beruht vor allem auf der Vernunft. Wenn du deinem Volke
befiehlst, zu marschieren und sich ins Meer zu stürzen, wird es revoltieren. Ich habe das Recht, Gehorsam zu fordern, weil meine Befehl vernünftig sind.«
»Was ist also mit meinem Sonnenuntergang?« erinnerte der kleine Prinz, der niemals eine Frage vergaß,
wenn er sie einmal gestellt hatte. »Deinen Sonnenuntergang wirst du haben. Ich werde ihn befehlen. Aber in meiner
Herrscherweisheit werde ich warten, bis die Bedingungen dafür günstig sind.« »Wann wird das sein?« erkundigte sich der kleine Prinz. »Hm, hm!« antwortete der König, der zunächst einen großen Kalender studierte, »hm, hm! Das wird sein gegen... gegen... das wird heute abend gegen sieben Uhr
vierzig sein! Und du wirst sehen, wie man mir gehorcht.«
Mit diesem Zitat nehme ich Bezug auf meinen letzten Beitrag. Wie vielen Generälen (Arbeitnehmern) wird heute befohlen sich in einen Seevogel zu verwandeln. Sie schaffen es nicht und suchen die Verantwortung für ihr Scheitern meist bei sich.