Taoistische Reflektionen

Glücksgefühle weisen den Weg zum Tao

Glücklich-Sein ist meine einzige Disziplin. Ich bin glücklich, heiter, verspielt und in Feierstimmung. Das Leben ist solch eine großartige Gelegenheit, ich sollte nicht einen einzigen Moment verpassen. Und durch mein Glücklich-Sein fühle ich nach und nach eine ganz neue Präsenz, die die ganze Existenz umgibt. Diese Anwesenheit ist das ganz große Glück. Und ich kann sie nur spüren, wenn ich glücklich bin, denn nur gleiches kann gleiches erkennen. Wenn ich im gleichen Rhythmus schwinge, werde ich auf das ganz große Glücklich-Sein aufmerksam. Ich könnte das Gott nennen, aber es ist besser, es Tao zu nennen oder eben das Überglücklich-Sein.

Ich bin glücklich auf meine eigene kleine Art und Weise, so kann ich in der gleichen Resonanz schwingen, in der das ganze Universum schwingt. Das Universum ist ein kosmischer Tanz und ich beginne mitzutanzen — das ist das Yoga des Tao.

Was ich wie sehe, das bin ich auch.

Was ich wie in meinem Leben sehe, sagt viel über mich und wenig über das, was ich sehe. Derselbe Sonnenuntergang schaut für den einen schön aus und ein anderer wird traurig. Und wieder einem anderen ist es egal, es kümmert ihn nicht. Der Sonnenuntergang ist derselbe. Schön wirkt er nur auf den Menschen, der sich darauf einstimmen kann, der still werden und damit zu einem Spiegel werden kann, der den Sonnenuntergang in sein eigenes Wesen reflektiert, der sich davon aufladen lassen kann, von den Farben, den Strahlen und dem Glanz.

Derselbe Sonnenuntergang wirkt auf jemand anderen traurig und nicht schön, weil er gerade traurig ist, er projiziert seine Traurigkeit auf den Sonnenuntergang. Und der “wieder andere” lebt indifferent, er hat sich desensibilisiert. Er sieht den Sonnenuntergang, den Mond, die Bäume, die Blumen oder die Menschen gar nicht mehr. Er hat Augen, aber er benutzt sie nicht wirklich. Er hetzt sich ab, er hat es so eilig, irgendwo hinzukommen, er weiß eigentlich gar nicht mehr, wohin. Es ist zu einer ständigen Spannung geworden, er läuft immer irgendwelchen Schatten hinterher. Er hat gar nicht die Zeit dafür, sich einen dummen Sonnenuntergang anzuschauen. Das wäre reine Zeitverschwendung.
Es hängt also alles von mir ab.

Wenn ich das Schöne im Außen sehen kann, dann ist auch in mir etwas Schönes entstanden.

Durch eine Änderung meines Charakters kann ich mein Bewußtsein nicht ändern, aber wenn ich mein Bewußtsein ändere, dann ändert sich auch mein Charakter.

Ich kann mein Ego beiseite lassen, es spielt keine Rolle mehr. Unter dem offenen Himmel wird das Ego einfach irrelevant. Es verschwindet von alleine. Selbst es loslassen zu wollen, ist ein wenig dumm; es ist diese Anstrengung nicht wert. Wenn das Verstehen vollkommen geworden ist, löse ich mich auf. Das ist genau der Punkt, um den es geht. Ich existiere, weil mein Verstehen eingeschränkt ist. Je begrenzter mein Verstehen, desto größer das Ego; je blinder, desto größer das Ego, gar keine Wahrnehmung der Wirklichkeit und es existiert das perfekte Ego. Wenn die Wahrnehmung sich ausdehnt, wird das Ego kleiner und kleiner. Ist sie total und umfassend, kann man ein Ego nicht mehr finden. Das ist die Perspektive des Taoismus – das Verstehen so grenzenlos zu werden zu lassen, dass das Ego verschwindet. Deswegen hämmert der Taoismus aus vielen Richtungen auf die Mauer des Verstandes, so dass gleich am Anfang wenigstens ein paar Schlüssellöcher entstehen. Mit vielen Schlüssellöchern in meinen Mauern kann ich nach Osten schauen und nach Westen, ich kann nach Norden schauen und nach Süden; und wenn ich nach Osten schaue, werde ich nicht sagen: „Das ist die einzige Richtung”, ich weiß, es gibt noch andere Richtungen. Ich sage nicht: „Das ist die einzige wahre Lehre”, denn dann wird deine Wahrnehmung verengt.

Freiheit kommt durch Verstehen. Je mehr ich verstehe, desto freier werde ich.

Alles, was ich wirklich habe, ist mein eigenes Selbst, alles andere gehört zur Welt, gehört nicht mir.

Nur sehr selten möchte jemand glücklich sein auch wenn alle das Gegenteil behaupten. Nur sehr selten ist jemand wirklich bereit, sich glücklich zu fühlen. Die Menschen haben so viel in ihr Elend investiert. Sie lieben es, unglücklich zu sein. Tatsächlich sind sie erst richtig glücklich, wenn sie unglücklich sind.

Ich werde erst richtig Mensch, wenn ich die volle Verantwortung für mich übernehme, wenn ich mich für alles, was ich bin, verantwortlich fühle. Das ist die Grundvoraussetzung und erfordert den meisten Mut. Es ist sehr schwierig zu akzeptieren, denn ich frage ich sofort: »Wenn ich selber verantwortlich bin, wieso erschaffe ich mir dann all das Elend?« Um das zu vermeiden, schiebe ich die Verantwortung auf jemand anderen ab: »Was kann ich schon tun? Ich bin hilflos, ich bin ein Opfer. Ich werde von höheren Gewalten beherrscht und mal hierhin, mal dorthin geworfen. Ich kann nichts dagegen ausrichten. Ich kann höchstens darüber jammern, wie unglücklich ich bin. Und das ganze Gejammer macht mich nur noch unglücklicher.« Und weil sich alles verstärkt, je öfter ich es wiederhole, wird mein Elend tiefer und tiefer und ich versinke immer mehr darin. Niemand anderes, keine andere Macht tut etwas mit mir. Ich allein bin es. Das ist die ganze Lehre vom Karma — ich selber tue alles. “Karma” bedeutet “Tun”. Ich selbst habe es getan und ich selbst kann es wieder auflösen. Und es gibt keinen Grund zu warten und es aufzuschieben. Ich brauche keine Zeit dafür — ich kann ganz einfach hinausspringen.

Doch ich habe mich an mein Elend gewöhnt. Ich würde mich sehr einsam fühlen, wenn ich aufhören würde, unglücklich zu sein. Ich würde meinen treuesten Gefährten verlieren. Er ist mein Schatten geworden, er folgt mir auf Schritt und Tritt. Wenn sonst keiner da ist, ist wenigs- tens mein Elend bei mir. Ich bin damit verheiratet. Und diese Ehe dauert schon sehr lange. Ich bin seit vielen Leben mit dem Elend verheiratet. Jetzt ist die Zeit für die Scheidung gekommen. Das nenne ich wirklichen Mut — mich von meinem Elend zu trennen und damit die älteste Gewohnheit in meinem Denken, meinen ältesten Gefährten zu verlieren.

Das Leben ist keine Philosophie, kein Problem – es ist ein Mysterium

Noch ist Zeit! Ich komme heraus aus dem Gefängnis, in dem ich bis jetzt gelebt habe! Ich brauche nur ein bißchen Mut, nur den Mut eines Spielers. Und es gibt gar nichts zu verlieren. Ich kann höchstens meine Ketten verlieren – ich kann meine Langeweile verlieren, ich kann das Gefühl verlieren, daß mir ständig etwas fehlt. Was kann ich schon verlieren? Ich komme raus aus meinem alten Trott und akzeptiere mein eigenes Wesen. Ich akzeptiere mich. Ich habe keinerlei Verantwortung gegenüber irgendjemand anderem, ich bin allein mir selbst gegenüber verantwortlich. Meine Verantwortlichkeit besteht nicht aus Pflichten, ich antworte der Wirklichkeit, bin also ver-antwortlich im wörtlichen Sinn des Wortes. Rückblickend habe ich ein unverantwortliches Leben geführt, ich habe alle möglichen Verantwortungen erfüllt, die andere mir auferlegt haben. Was habe ich da zu verlieren? Ich langweile mich – das ist eine gute Ausgangsposition. Mir fehlt der Saft, was brauche ich noch, um aus meinem Gefängnis herauszukommen? Ich springe raus und schaue nicht zurück! Es heißt immer: Überlege es dir zweimal, bevor du springst. Ich springe zuerst! – und erst danach überlege ich, soviel ich will!

Denn nur ein Verrückter kann eins mit dem Tao werden! Die sogenannten geistig Gesunden können höchstens Buddhisten werden.
Der Taoismus ist für die Verrückten der ganzen Welt. Der Taoismus ist der Verrücktenführer zum Tao.

Wu Wei – Die Kunst des Handelns ohne zu handeln.

iDer Taoismus ist eigentlich keine Religion im üblichen Sinn, sondern eigentlich nur eine Ansicht über die Welt, wie wir sie vorfinden. Es gibt hier keinen Gott, den man anbeten soll und auch sonst keine Handlungen, die zu tun oder zu lassen sind. Es ist einfach eine Grundhaltung, die der Natur abgeschaut ist. Der interessanteste Abschnitt in dieser Quasi-Religion ist das WU-WEI. Eine Grundhaltung, die einfach zu beschreiben, aber nicht ganz so einfach umzusetzen ist.

Wir schwätzen ständig in Gedanken mit uns selber. Wir denken in Worten, führen einen inneren Dialog und bewerten alle Handlungen nach unseren inneren Werten und Programmen. Wir nehmen irgendetwas wahr. Sofort benennen wir es mit Worten und Attributen. Gut-schlecht; schön-häßlich; stark-schwach; angenehm-unangenehm. Wir treffen dabei eine Bewertung: “Das ist aber schön”, so entsteht aus dieser Bewertung heraus das Gegenteil, daß etwas anderes häßlich sein muß. Es entstehen die Gegensätze in der Welt, weil wir diese innerlich selbst erzeugen.
Im WU-WEI werden diese “Dinge, die existieren” einfach wahrgenommen und nicht bewertet, nur erkannt. Dies bringt uns unserem wahren Naturell viel näher, als man auf den ersten Blick meint. Oder ein anderes Beispiel: Probleme! Wir sehen eine schwierige Aufgabe. Sofort bewerten wir diese nach unseren inneren Programmen und Erfahrungen. Der taoistische Ansatz ist, diese Probleme nur neutral zu betrachten, keinerlei Bewertungen vorzunehmen, einfach nur anzusehen, von allen Seiten zu betrachten und so zu lassen. wie es ist.

Der wahre TAOIST lebt im Hier und Jetzt. Er strebt nicht nach äußeren Statussymbolen, sondern orientiert sich nach seinen wahren Bedürfnissen und Fähigkeiten. Er lebt, ruht in seiner Mitte. Er ist frei, und führt doch ein reiches und erfülltes Leben. Da er alle seine Aufgaben gerne ausführt, führt er sie gut aus. Er lebt in Harmonie mit seinem inneren Wesen. Er kann Freude vorurteilsfrei empfangen und geben. Er ist ein großes Kind, offen für Neues und frei von Beschränkungen.

Manipulation ist ein Trick des Denkens.

Ich habe noch nie auf den Vollmond geblickt. Ich kann es nicht. Ich blicke immer nur auf den gespiegelten Mond in meinen Gedanken. Aus diesem Grund ist alles, was ich kenne, Maya, ist Illusion. Es ist so, als blickte ich auf den Mond, der sich im Wasser spiegelt, auf die Spiegelung, und nicht auf den wirklichen Mond. Aber ich halte sie für den Mond. Was immer ich sehe, sehe ich durch Spiegelung. Meine Augen spiegeln; meine Augen sind lediglich Spiegel. Meine Ohren spiegeln — alle meine Sinne sind nur Spiegel, sie reflektieren. Und dann gibt es den größten aller Spiegel: mein Denken. Es reflektiert. Es spiegelt nicht nur — es kommentiert und deutet. Zugleich mit der Reflektion liefert es einen Kommentar. Es verzerrt. Ich habe einen Zerrspiegel in mir — er verzerrt alles. Was immer ich bis jetzt kenne, ist nicht der wirkliche Mond am Himmel, denn wie kann ich auf den wirklichen Mond schauen? Ich schaue nur immer auf das Spiegelbild, und das Spiegelbild ist Illusion. Das ist die Bedeutung von Maya: Illusion. Was ich auch kenne — es ist Maya, ist Schein, ist nicht das Wirkliche. Das Wirkliche kommt erst, wenn das Spiegelbild verschwindet. Es geschieht plötzlich; es ist wie ein Unfall. Der Einbruch der Wirklichkeit ist immer wie ein Unfall, weil er unvorhersehbar ist, weil er sich nicht kontrollieren läßt. Ich kann ihn nicht herbeimanipulieren, ich kann ihn nicht veranlassen. Wenn ich das veranlassen könnte, würde dies nie über mein Denken hinausgehen. Wenn ich das herbeimanipulieren könnte, würde es nur ein Trick meines Denkens sein. Viele Leute versuchen, so etwas zu arrangieren. Sie tun dies, sie tun das, um die Ursache für die Erkenntnis der Wirklichkeit herbeizuführen, aber das ist nicht etwas, das man verursachen kann. Wenn ich das herbeiführen kann, ist es völlig wertlos. Erkenntnis geschieht; sie kann nicht verursacht werden. Sie ist nicht die Fortsetzung meines Denkens, sie ist ein unmittelbarer Abgrund. Plötzlich bin ich nicht, und Erkenntnis ist. Wie könnte ich das manipulieren? Solange ich manipuliere, bin ich noch da.

Doch wenn ich gar nichts dafür tue, wird selbst dieser Unfall nicht passieren. Der Unfall passiert nur denen, die sehr viel dafür getan haben; aber er passiert nicht wegen ihres Tuns. Das ist das Problem; er passiert nie wegen ihres Tuns, aber ohne ihr Tun passiert er niemals. Das Tun ist nicht die Ursache, warum es passiert. Das Tun ist nur die Ursache ihrer inneren Bereitschaft, für den Unfall anfällig zu werden. Das ist alles. Alle Meditationen erzeugen nur eine Unfall-Anfälligkeit, mehr nicht.

Ich bleibe sprach-los.

Das Tao, über das ich reden kann,

ist nicht das wirkliche Tao.

Auf einer tiefen Ebene kann ich das Tao nur erfahren

und nicht beschreiben.

Je weiter ich mich von der Wirklichkeit entferne,

desto mehr kann ich darüber reden,

obwohl es dann natürlich immer weniger zutreffend ist.

Je weiter ich von meiner realen Erfahrung weg bin,

desto mehr kann ich darüber sagen.

Ich kann nur von innen heraus

selbst meinen Weg finden.

Wer tiefer gehen möchte,

braucht ein gutes Gespür für sich selbst.

Und natürlich Gnade. Ohne Gnade geht es nicht.

Aber ohne intensives eigenes Bemühen auch nicht.

Dann erfahre ich, dass es das Tao gibt.

Die Frage, die bleibt, ist WIE oder WAS ist Tao.

Diese Frage wird sogar umso dringender in mir,

je intensiver ich das Tao erlebe.

Da werde ich erfüllt von dem Bewusstsein,

geliebt zu sein.

Diese Erfahrung erfüllt mich

und beginnt durch mich zu wirken.

Das ist in Worten schwer zu fassen.

Ich werde eins mit dem Tao,

wenn ich das Tao durch mich hindurch wirken lasse.

Das Tao wirkt also durch einen.

Taoistische Liebeskunst

Zu einem Gipfel der Erregung zu kommen ist eine Art, den Orgasmus zu erfahren. Das Schwergewicht der taoistischen Lehre liegt aber auf einer anderen Art. Die erste Art von Orgasmus nenne ich einen Gipfel-Orgasmus und die taoistische Art einen Talorgasmus. Dabei komme ich nicht zu einem Gipfel der Erregung, sondern gleite ins tiefste Tal der Entspannung. Bei beiden Arten wird die sexuelle Erregung der Anfangsphase benutzt. Deshalb gleichen sich beide Arten am Anfang, aber das Ende ist völlig verschieden. Die anfängliche Erregung wird auf zwei völlig verschiedene Arten benutzt: Entweder erklimme ich damit den Gipfel meiner Leidenschaft oder falle ins tiefste Tal der Entspannung. Bei der ersten Art muss die Erregung immer mehr gesteigert werden, ich muss dazu beitragen, dass sie immer intensiver dem Höhepunkt entgegenstrebt. Bei der zweiten Art bin ich nur beim Vorspiel erregt. Sobald der Mann in die Frau eingedrungen ist, entspannen sich beide. Sie bewegen sich überhaupt nicht mehr und gehen völlig in der Umarmung auf. Und nur wenn einer von beiden spürt, dass die Erektion nachlässt, bewegen sie sich ein wenig, um das Feuer wieder zu entfachen; dann sinken sie wieder in einen Zustand vollkommener Entspannung.

Diese Art von tiefer, zärtlicher Vereinigung kann stundenlang dauern, ohne dass es zum Samenerguss kommt. Danach fallen beide in einen tiefen Schlaf. Das nennt man einen Talorgasmus. Nach einem taoistischen Liebesakt bin ich mit Energie aufgeladen, ich bin lebendiger und frischer als je zuvor. Und dieser ekstatische Zustand kann stundenlang, ja tagelang anhalten. Das hängt davon ab, wie sehr ich darin aufgegangen bin. Wenn ich tief in diese Art Sex hineingehen kann, wird mir früher oder später klar, dass ein Samenerguss reine Energieverschwendung ist. Ich brauche nicht zu ejakulieren, es sei denn, ich will ein Kind zeugen. Nach einem tantrischen Sex-Erlebnis bin ich den ganzen nächsten Tag zutiefst entspannt, selbst viele Tage lang fühle ich mich ruhig und gelassen, in mir selbst zentriert.

Es geht immer um die Befreiung

Wenn jede Art von Denkzwang zum Stillstand kommt,
bleibt nicht mehr die geringste Spur von Anhaftung.
Dann gehört mein Körper und mein Geist
schon in diesem Leben
zu einem vollkommen befreiten Wesen.
Kann ich auch nur das begriffliche Denken aufgeben,
dann habe ich alles erreicht.

Die Wahrheit leben

Woran immer ich glaube, ich glaube nicht nur daran – ich heilige es, weihe es dadurch, dass ich es lebe. Ich belasse es nicht einfach bei einem intellektuellen Glauben im Kopf: Ich lasse es existentiell werden. Dann ist es geheiligt, dann habe ich es heilig gemacht und geweiht. Glaubensinhalte sind sinnlos, solange sie nur aus Glauben bestehen, solange ich sie nicht lebe … Wenn ich das Gefühl habe, etwas sei wahr
– dann lebe ich es! Denn darin besteht der einzige Beweis, dass ich es für wahr halte. Es gibt keinen anderen Beweis. Nur mein Leben ist der Beweis für meinen Glauben. Ich lebe es – nicht von außen nach innen, sondern genau umgekehrt: Von innen nach außen. Ich gehe wirklich in meinen Glauben und tue nicht nur so. Und wann immer ich eine Wahrheit lebe, wird die Wahrheit geheiligt. Und ich überprüfe, ob ich nach meinem Glauben lebe und wie weit.

Die Weisheitslehre des Daoismus

“Das Dao, das gesagt werden kann, ist nicht das Dao des Absoluten. Der Name, der gesagt werden kann, ist nicht der Name des Absoluten. Das Namenlose ist Ursprung von Himmel und Erde. Das Benannte ist die Mutter aller Dinge.”

Der erste Vers im Tao-Te-King veranschaulicht in einer unerreichbaren Weise eine Einheit: Die philosophische Idee, die Unmöglichkeit ihres befriedigenden sprachlichen Ausdrucks, die selbstbezügliche Darstellung dieses Sachverhalts und die ästhetische Kunstform. Der Text macht in selbstreflexiver Weise deutlich, was auch das Problem aller Mystik und Esoterik ausmacht. Was gesagt werden kann, ist nicht der eigentliche Sinn und befriedigt mich deswegen nicht. Die Spuren des mythischen Verfassers Laotse verlieren sich an der Grenze des alten Chinas.
In dieser Tradition hat Dschuang Dsi die daoistische Lehre ausgeführt und die Harmonie zwischen den Menschen und dem Urgrund der Dinge erläutert. Das ewige, absolute Dao (der Weg, der Sinn) wird als mystisch-kosmische Einheit von Sein und Nicht-Sein, von Ding und Geist, verstanden. Der Daoismus verwendet häufig eine Sprache der Natur. So wird Dao mit Natursymbolen und als Mutter beschrieben. Das ursprüngliche Dao zeugte Yin und Yang. Das in der Welt und im Menschen enthaltene Dao heißt Te. Werden und Tun des Dao ist das Wu Wei, das Nicht-Machen, das Geschehen-Lassen, Nicht-Einmischen, Nicht-Angreifen, das So-Sein-Lassen des Dao im Sinn einer natürlichen Lebensführung, sich eines gegen die Natur gerichteten Handelns zu enthalten. Die Menschen gehen aus dem nicht-dualistischen Dao hervor und kehren wieder in diese Einheit zurück, bleiben also in die universale Ordnung eingebunden. Sie erreichen Sinnerfüllung in ihrem Leben, indem sie Einseitigkeiten und Disharmonien vermeiden.

Diese Weisheitslehre klingt sehr abstrakt und esoterisch, hat jedoch eine sehr lebenspraktische Seite. Langes Leben wird durch eine innere Harmonie der polaren Kräfte, durch Gelassenheit und die Balance von Tun und Nicht-Tun erreicht. Es kommt darauf an, die richtige Mischung von Nahrungsmitteln und Lebensgewohnheiten einzuhalten, und die chinesische Medizin hat ein ganzheitliches System entwickelt, wie durch Heilmittel und andere Maßnahmen dieses Gleichgewicht von Yin und Yang herzustellen ist.

Der Daoismus ist eine Religion der Liebe und des Lachens. Der Daoismus ist lebensorientiert und lebensbejahend. Der Daoismus lehrt nicht die Entsagung, sondern den Genuß.

Gibt es überhaupt etwas, das ich ernst nehmen kann?

Zen-Lehrer haben ihren Schülern gelehrt: “Sei still, aber gib dir keine Mühe.” Auf diese Weise bringe ich die Menschen in einen Zwiespalt: Gib dir keine Mühe und sei still…. Gebe ich mir Mühe, mache ich einen Fehler – es gibt aber keine Möglichkeit, still zu sein, ohne sich Mühe zu geben. Gäbe es eine Möglichkeit, still zu sein, ohne sich Mühe zu geben, gäbe es keinen Grund, Meditation zu lehren. Die Menschen würden ohne Mühe still werden. Zen-Meister haben die richtige Sache erklärt, aber nicht auf die richtige Weise.
Genau in dem Moment, in dem ich still werde, werde ich still….

Ich gebe mir keine Mühe, noch gebe ich mir Mühe. Es macht mir keine Mühe..

Ich liebe es, mich in Stille zu erleben. Ich liebe es, mich lachen zu hören. Ich liebe es, nicht zu denken. Aber in all diesen Tätigkeiten bleibt die Grundlage Meditation.
Kann es wirklich sein, daß es reicht, nicht zu denken und auf die Stille zu hören?

Tao — das Herz der Freiheit

Das Herz ist das Zentrum meines Wesens. Der Kopf ist nur die Peripherie. An der Peripherie zu leben ist reine Dummheit! Im Herzen zu leben und den Kopf immer nur dann zu gebrauchen, wenn es nötig wird, ist Intelligenz. Aber das Zentrum, der innere Meister, sitzt im tiefsten Kern meines Wesens. Der Kopf ist nur ein Diener, der Meister ist das Herz. Das ist Intelligenz!
Wahre Intelligenz entwickelt sich nicht aus dem Intellekt, sie transzendiert ihn vielmehr.

Ich kann Intelligenz nicht durch das Training meiner intellektuellen Fähigkeiten gewinnen. Der Intellekt basiert auf Logik, Intelligenz auf dem Paradoxen. Der Intellekt zerstückelt die Dinge, um ihre Funktion zu erkennen, Intelligenz fügt die Dinge zusammen, um ihre Bedeutung als Ganzheit zu verstehen. Mittels dieser Unterscheidung kann ich die Lösung von Problemen auf unterschiedlichen Ebenen angehen – der logischen, der emotionalen und der praktischen.

Das Denken analysiert die Welt mit Logik, das Nicht-Denken erkennt sie durch Intuition. Intuition hat ihren Ursprung jenseits des Denkens , im Reich des Mysteriums, des Ewigen, des Lebens selbst. Nur wenn ich bereit bin, über die Grenzen des Denkes hinauszugehen, öffnen sich die Pforten der Intuition. Dann wird es möglich, die Schichten von Unterdrückung, Konditionierung und Rationalisierung abzulegen, hinter denen sich die angeborene innere Weisheit verbirgt, und den Quantensprung von der Logik zur Intuition zu vollziehen.

Ein liebender Mensch liebt ganz einfach, genauso wie ein lebendiger Mensch atmet, trinkt, isst und schläft. Ganz genauso liebt ein wirklich lebendiger Mensch, ein liebender Mensch.
Reif werden kann ich nur, wenn ich meine ursprüngliche Unschuld wieder finde, zum Zauber und zur Magie der Kindheit zurückkehre und die Illusion des Todes überwinde. Reif zu werden bedeutet, sich auf die Reise zum eigenen Selbst zu machen und die Geschenke des Schweigens, der Stille, der Schönheit, der Heiterkeit und des Friedens im eigenen Inneren zu finden. Wer reif werden will, braucht den Mut, Verantwortung für sich selbst und sein Leben zu übernehmen und alles zu riskieren, um sich selbst zu finden. Statt mein Leben mit Äußerlichkeiten zu vergeuden, wage ich das Abenteuer der Selbstentdeckung, um den Lohn der Reife zu empfangen.

Was geschieht während der Meditation im Gehirn?

Die mystische Erfahrung, die Erfahrung des absoluten Seins, das Verschmelzen der individuellen Seele mit dem Unvergänglichen, ist in allen Religionen bekannt. In jüngster Zeit haben Neurologen meditierende Menschen untersucht, um die Vorgänge, die als Unio mystica, als Einssein mit dem Kosmos, betrachtet werden, besser zu verstehen. Dabei hat man festgestellt, dass im Gehirn zweierlei geschieht.

Zum einen findet im vorderen Bereich des Gehirns, im Stirnbereich, in dem sensorische Signale, also Sinneseindrücke, empfangen und verarbeitet werden, kognitive Prozesse (mentale, geistige, intellektuelle Prozesse, Denken) stattfinden, psychische und bewusstseinsbildende Funktionen verarbeitet und neuronale Regelkreise gesteuert werden, ein eindeutiger Aktivitätsanstieg statt.
Zum anderen findet im Parietallappen (dem Scheitellappen – etwa von der Kopfmitte bis zum oberen Hinterkopf), der neben dem Sehen, Fühlen, Riechen und der Sprache, für die räumliche Wahrnehmung, für Zeitabläufe, das Körperempfinden, die Ich-Identität zuständig ist, eine Verminderung der Gehirnaktivität statt. Durch die Abnahme der Gehirnaktivität im Scheitellappen verlieren die Meditierenden den Sinn für das Selbst, die Ich-Identität und erfahren sehr oft ein Gefühl von Raum- und Zeitlosigkeit. Der Scheitellappen scheint am Höhepunkt der Meditation immer weniger mit Blut versorgt zu werden. Er wird sozusagen abgeschaltet. Der Scheitellappen gibt uns Orientierung in Raum und Zeit und verleiht uns ein Gefühl für unseren Körper. Wird dieses Areal still gelegt, können wir nicht mehr zwischen unserem Körper und der äußeren Welt unterscheiden. Es entsteht der Eindruck, als würden wir mit der Welt verschmelzen.

Bei meditierenden Menschen im Zustand des Einsseins mit dem Kosmos geht die Durchblutung des Scheitellappens drastisch zurück. Ein Hirnareal, das sonst unentwegt rattert, verstummt in der Stille der Versenkung. Das stoppt den Zufluss von Informationen aus dem Hippocampus, einer tiefliegenden Hirnstruktur, in den Scheitellappen. Im „Orientierungsfeld“, ein Bereich, der für das Gefühl von Raum und Zeit verantwortlich ist, sinkt dadurch die Aktivität. Die Blockierung dieses Bereichs führt zum Empfinden der Raum- und Zeitlosigkeit in der meditativen Versenkung. Dies ist insofern bedeutsam, da in diesem Hirngebiet normalerweise Informationen über Zeitabläufe und räumliche Orientierung verarbeitet werden. Aufgrund der Reizblockade im oberen Teil des Scheitellappens ist es somit durchaus erklärbar, dass sich das subjektive Erleben bei der spirituellen Versenkung gänzlich in der Raum- und Zeitlosigkeit verliert. In derartigen Transzendenzzuständen meint der spirituell Entgrenzte, die Unendlichkeit in Erhabenheit zu berühren. Durch den Verlust für das Gefühl von Raum und Zeit entsteht außerdem das Gefühl der Leere, von der oft im Taoismus die Rede ist.

Ich genieße es, ein Verlierer zu sein.

Es gibt viele Wege, Wege die zum Tao führen, zum Einen, Absoluten, nicht Fassbaren, das sich unserem menschlichen Begriffsvermögen entzieht. Es sind ja immer Wege, die zum Wesentlichen führen; es kann die Kunst, die Wissenschaft, die Religion, die Spiritualität sein – es kann aber auch ganz einfach und schlicht der Weg des Alltags sein.

Das Tao, das Ganze, besteht nach chinesischer Vorstellung aus den beiden Polaritäten Yin und Yang, die miteinander im Spiel sind, wobei jedes im anderen enthalten ist. Dieses allgemein bekannte Symbol der Monade scheint mir sehr geeignet, um das Miteinander der polaren Kräfte darzustellen. Es gilt als einfachstes und zugleich komplexestes Sinnbild für alle Lebensvorgänge. Im ständigen Wandel der Polaritäten geschieht und entsteht Leben – nicht nur das uns bekannte Leben.
Tod und Geburt sind Gegensätze, Leben hat keinen Gegensatz.

Wir trennen in unseren Gedanken Dinge, die in Wirklichkeit nicht getrennt sind. Und dann haben wir sie in unseren Gedanken getrennt, und dann ist der nächste Gedanke: Wie kann ich die Verbindung herstellen? Dabei muss ich eigentlich nur den ersten Gedanken aufgeben, dass in dieser lebenden Form eine Trennung besteht.

Gewahrsein erfordert keine Gedanken, während wir bei „Bewusstsein“ denken, das würde bedeuten, alles mit Gedanken zu verfolgen. Viele Menschen denken, wenn sie das Wort „Bewusstsein“ hören oder „Sei dir bewusst, was du tust“, sie sollten immer alles benennen, was sie tun: „Ich hebe den Fuss, ich senke den Fuss …“ und so weiter. Aber es ist nicht das, worum es geht. Gewahrsein heisst einfach nur ganz, ganz, ganz präsent zu sein. Gewahrsein … Dann wird die Welt sehr, sehr plastisch, sehr, sehr tief. Und in dem Gewahrsein wird so sehr deutlich, wenn’s tief geht, wie das Ewige permanent ins Zeitliche hineinscheint.

Leere ist Form – Form ist Leere.

Das Leben sollte genutzt werden, der Tod sollte auch genutzt werden, Alles sollte genutzt werden, um zur Essenz des Denkens zu kommen, denn dieses essentielle Bewußtsein ist Wahrheit, es ist Bewußtheit, es ist Wonne.
Um sich der Essenz des Denkens anzunähern, sind einige Elemente von besonderer Bedeutung: Die Leere oder Leerheit zählt zu den Grundpfeilern taoistischen Denkens: Alles Existierende, jeder Mensch, jeder Stein, jedes Tier, jeder Gedanke ist nicht von Dauer und hat nur relative Wirklichkeit. Daher sind alle Formen leer und gehören nicht zu der Bewußtheit, die dauerhaft, ewig und beständig ist. Paradoxerweise aber ist Nicht-Denken selbst Leere und nichts existiert außerhalb (und innerhalb) davon. Der Taoist gewinnt Einsicht in diese Leere. Am wichtigsten und am schwierigsten zu verstehen ist, daß Form Leere ist, und daß Leere Form ist. Diese Aussage kann als nihilistisch und lebensfeindlich mißverstanden werden.

Der Taoismus schätzt und achtet das Leben, nicht aber die Abhängigkeit von der Welt der Erscheinungen. Das einzig Wirkliche ist die unveränderliche und ewige Natur aller Wesen, Tao genannt. Im Tao ist alles eins, existieren keine Trennungen und Unterschiede mehr – so wie der Tropfen mit dem Meer eins ist. Im Grunde unseres Seins sind wir alle Tao – du, ich, der Baum, der Stein – wir sind uns dessen aber nicht bewusst und leben verstrickt in Illusionen. Jeder ist von Natur aus erleuchtet, aber kaum jemandem ist dies bewußt. Oder wie es der griechische Philosoph Platon ausdrückte: „Wir sind Götter, doch wir haben es vergessen.” So weit, so gut. Der Haken liegt dabei aber in meinem normalen Bewusstsein, das verstrickt ist in diese Welt der Illusionen. Ich bin davon überzeugt, dass die Tasse vor mir auf dem Tisch wirklich ist, dass die Falte im Gesicht wirklich störend ist, dass ich das neue Auto wirklich brauche, dass der Chef wirklich ein Ekel ist, dass meine Sorgen, Ängste, Hoffnungen, Zweifel, Ziele, Gedanken und Empfindungen, einfach alles, was ich schon erreicht habe und noch erreichen will, wirklich ist. Der Wärter dieses Gefängnisses ist mein Denken. Bei genauer Beobachtung erkenne ich, dass mein Denken immer nach dualen Prinzipien funktioniert: etwas ist gut oder schlecht, schön oder hässlich, etwas mag ich oder mag ich nicht. Mein Denken ist unfähig, die Einheit allen Lebens zu erkennen. Seine Aufgabe ist es, zu differenzieren und zu trennen. Der Verstand ist aber nicht schlecht oder gar böse, sondern er gaukelt mir eine Welt vor, die nicht existiert. Und der Taoismus zeigt, wie sich der Mensch aus der Knechtschaft des Verstandes lösen und zur plötzlichen und unwiderruflichen Erkenntnis des Wirklichen gelangen kann.

Taoismus als traditionelle chinesische Spiritualität

Die ursprüngliche Lehre vom höchsten Prinzip Tao, über das nichts ausgesagt werden kann, stellt auch die ursprüngliche Einheit am Anfang aller Dinge dar, also vor der Teilung in die Polaritäten Yin und Yang, und danach in die fünf Elemente. Die Ureinheit steht hinter diesen Erscheinungsformen des Kosmos.

Yin ist ein ausdehnendes, weibliches Prinzip, z.B. im Sympathikusnerv, Yang ein zusammenziehendes, männliches Prinzip, z.B. im Parasympathikusnerv, die beide ineinanderwirken. Die fünf Elemente Erde, Wasser, Holz, Feuer und Metall entsprechen der Einteilung in die vier Erscheinungsformen bzw. Qualitäten Erde, Wasser, Luft, Feuer = Wärme, wie sie in der alten abendländischen Alchemie und Hermetik und in vielen anderen Kulturen gesehen werden. Das chinesische fünfte Element, das Metall, wurde in Europa als “prima Materia” (Urmaterie, vgl. moderne Elementarteilchentheorien) bezeichnet oder als Äther, dem z.B. in altindischen und theosophischen Quellen zugeschrieben wird, dass er seinerseits weitere Ebenen enthält, so dass es insgesamt sieben Aggregatzustände sind. Solche alten Erkenntnisse sind keine rein spekulative Philosophie, sie sind eine alte, in ihrer Art fortgeschrittene Kosmologie mit eher naturwissenschaftlichem Charakter – auch wenn sich die damaligen Erkenntnismethoden von den heutigen unterscheiden.

Das ändert nichts daran, dass die Praktiken der altchinesischen und späteren taoistischen Meister spirituellen Charakter haben. Denn die damaligen Forschungsergebnisse über die Rolle von Elementen bzw. Kräften im Menschen wurden lediglich mit berücksichtigt, weil irdische Unvollkommenheiten schwerlich zu umgehen sind, wenn es um die geistige Vervollkommnung geht. Der Taoismus ist eine Art von Spiritualität, die nicht versucht, vor dem Irdischen zu fliehen, im Unterschied zu einigen anderen spirituellen Traditionen.

Zwischen dem Geschehen im Himmel, chinesisch “T’ien”, der Erde und dem Menschen – alle aus der selben Ureinheit stammend – wurden überall Entsprechungen gesehen (ähnlich wie bei den sieben freien Künsten der Hochschulen des abendländischen Mittelalters). So richtete sich alles Streben auf eine Harmonie des menschlichen Lebens mit dem “Himmel” – als höchster Macht – und der Erde. Dies zeigt neben dem spirituellen auch den religiösen Charakter des Strebens. Re-ligion (aus dem Lateinischen) bedeutet “Rückverbindung”, “Wiederanbindung”, nämlich an den Urgrund der Dinge.

Auf einem solchen Weg kann die Einteilung aller Erscheinungen der Welt in Yin und Yang das Denken des Menschen verstärkt in diesen Polaritäten festhalten; sie kann aber bei entsprechendem Streben auch über diese hinaus führen, in einen mystischen Bewusstseinszustand.

Wie traurig, wie traurig.

Was ist nun dieses Tao? Was ist es, das die wesentliche Lehre des Taoismus ausmacht? Es ist transzendentales Wissen und Liebe oder Mitgefühl. Das Erkennen schenkt mir die Einsicht in die Wirklichkeit der Dinge jenseits ihrer Erscheinungsformen, darum habe ich, sobald Verstehen erlangt wird, eine Erkenntnis von der grundlegenden Bedeutung des Lebens und der Welt, und ich brauche mich nicht mehr um die Anliegen und Leiden des Einzelmenschen zu bekümmern. Mitgefühl aber ist dadurch frei geworden, sich zu entfalten, das bedeutet, daß Liebe ungehemmt von ihren egoistischen Verhüllungen sich über alle Dinge ausbreiten kann. Im Taoismus erstreckt sie sich sogar bis zu den unbeseelten Wesen, denn der Taoismus geht davon aus, daß alle Wesen, was immer die Form ihres gegenwärtigen Zustands und Daseins ist, letzten Endes dazu bestimmt sind, das Einssein mit dem Tao zu erreichen, sobald die Liebe sie durchdringt.

Der Taoismus unternimmt es, das Verstehen zu erwecken, das gewöhnlich unter einem dicken Gewölk von Unwissenheit und Karma in mir schläft. Unwissenheit und Karma kommen daher, daß ich mich bedingungslos der Herrschaft des Denkens ergeben habe, der Taoismus aber revoltiert gegen diesen Seinszustand. Und da das Denken sich in Begriffen und ihrer Logik zur Geltung bringt, so verschmäht der Taoismus die Logik und bleibt sprachlos, wenn man verlangt, daß er sich erklären soll. Die Würde des Denkens ist erst dann gegeben, wenn zuvor das Wesen der Dinge erfaßt worden ist. Das bedeutet, daß der Taoismus den gewohnten Lauf des Wissens umkehren will und seinen eigenen, besonderen Weg finden muß, mein Inneres zu bilden zur Erweckung der transzendentalen Weisheit.

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