„Ich hab gar nicht dran gedacht!“
„Ich wusste ja nicht....“
„Das hab ich gar nicht gewollt!“
So die Standartausreden von Zwerg 1. Sätze, die ich unzählige Male gehört habe. Sätze, die mich manchmal zur Verzweiflung bringen.
Unsere Große ist ein cleveres Kind, ein aufgewecktes Kind, ein motorisch – sowohl fein als auch grob – sehr geschicktes Kind, aber ein unglaublich (und das ist nun wirklich wörtlich gemeint), also ein u n g l a u b l i c h gedankenloses Kind. Woran das liegt, hat sich mir bisher noch nicht erschlossen. Ich kann nur Vermutungen anstellen. Liegt es an ihrem verträumten Wesen, an ihrer Impulsivität, an ihrem Hang zu kreativem Chaos?
Ihr Gedankenlosigkeit ist oft rätselhaft, oft ärgerlich, aber manchmal auch amüsant. So zum Beispiel in der Weihnachtsnacht des kirastischen Haarschnittes.
Kira war das neue allerliebste Kuschelpferd, das schwere Zeiten hinter sich hatte, bevor es zu Zwergens Weihnachtsgeschenk wurde. Kira kam nämlich, wie Zwerg 1 uns erklärte, nicht vom Christkind, sondern wurde von einem für uns unsichtbaren, mit Zwerg 1 gut befreundetem, Kobold gebracht. Der Kobold, dessen Name mir leider entfallen ist, hatte Kira in einem dunklen Sumpf gefunden, wo das Pferdchen einsam und vergessen, fast verhungert und total verlodert hauste. Er fand also Kira, nahm sie mit, badete sie, fütterte sie, umsorgte sie. Als dann schließlich aus der Sumpf-Kira eine strahlend schöne Kira geworden war, schenkte er sie seiner besten Freundin, die zufällig unsere Tochter ist, zu Weihnachten. Ich will jetzt nicht näher darauf eingehen, welche Dispute es mit sich brachte, dass dieser Kobold nur Zwerg 1 und nicht auch Nummer 2 mit Geschenken bedacht hatte. („Du kannst ihn ja gar nicht sehen – deswegen!“ – „Natürlich kann ich ihn sehen, ich sehe ihn jeden Tag und jede Nacht. Auch im Dunkeln!“).
Am Morgen des erste Weihnachtstages entdeckte ich also ein selig schlummerndes Lockenköpfchen, Kira fest an sich gekuschelt. Aber nicht nur das. Überall um und in den blonden Locken von Zwerg1 verteilt fand sich seidiges Kira-Haar. Und Kiras wunderschöner, vom Kobold sicher mit viel Mühe gepflegter, Schweif war verstümmelt zu einem kümmerlichen Haarpinsel.
„Ich weiß auch nicht, wieso die Haare alle ausgefallen sind!“
„Denkst Du, dieser mysteriöse Haarausfall könnte eventuell in irgendeinem Zusammenhang stehen mit Deiner Bastelschere, die da vor Deinem Bett liegt?!!“
„Ich wusste ja nicht, dass die Haar von Kira nicht mehr nachwachsen!“
„ZWERG – Du bist 6 Jahre alt. Da weiß man sehr wohl, dass die Haar von einem leblosen Kuscheltier nicht mehr nachwachsen!“
So schön Kinderphantasien sind, man muss genau aufpassen, wann es echte Phantasien sind oder wann die vermeintlich phantastischen Ideen von den Zwergen zu Entschuldigungszwecken instrumentalisiert werden.
„Ich hab das gar nicht gewollt. Das ist einfach so passiert!“
„Einfach so aus Versehen hast Du also nachts die Schere vom Schreibtisch geholt, hast damit die wunderschönen Haare von Deinem nagelneuen (und, um nicht jeglichen Weihnachtsmythos zu zerstören, füge ich nicht hinzu „sündhaftteuren“) Kuschelpferd abgeschnitten und hast dann die Haare im ganzen Bett verteilt?!“
„Ja, ich habe das alles ganz aus Versehen im Schlaf getan. Ich war wohl nicht ganz bei Sinnen!“
Tja, so wie unsere Große auch nicht ganz bei Sinnen war, als sie alle Seiten in ihrem Mathebuch lochte oder als sie im Garten sämtliche blühenden Tulpen ausgrub. Und dieser Sinnesmangel war wohl auch gestern dafür verantwortlich, dass sie mit Bleistift Herzen und Blumen auf unsere Wohnzimmerwand malte.
Ach hätte dieses Kind doch manchmal nur ein bisschen mehr Sinn.
Doch wer weiß, ob es dann immer noch so wunderbar, so fantastisch, so liebenswert , so einzigartig, so sehr unser Kind wäre!